Abandoned -
Verlassen. Im Stich gelassen. Sitzen gelassen.

Ich kann es kaum glauben. Offensichtlich hat man mich vergessen. Die Uhr an der Wand im Foyer des Best Western „Grand Creek Inn“ zeigt halb zehn, eine halbe Stunde nach der vereinbarten Zeit, zu der ich abgeholt werden sollte.
Das fängt ja gut an, denke ich, und marschiere zum Empfangstresen.
Arrival -
Ankunft.

Ist das Essen lecker! Ich sitze mit acht weiteren Urlaubsgästen am großen Esstisch der Ranch und genieße das hausgemachte Mahl. Zum Nachtisch gibt es Apple Pie und ich fühle mich herrlich verwöhnt und entschädigt, nach dem aufregenden Vormittag.
Nachdem der hilfsbereite Herr am Empfang auf der WTR angerufen hatte, kam dann, nach einer gefühlten Ewigkeit, schnellen Schrittes ein Mann durch die Drehtür, dem man den häufigen Aufenthalt im Freien ansah. Angetan mit Käppi, Sneakers und Jeans, sah er nicht wie ein typischer Rancher aus.
“ Hi, I am Bill“, stellte er sich vor. Er entschuldigt sich für das Missgeschick, nimmt meine Koffer und ich folge ihm zu einem Van, dem man ansah, dass er schon einiges mitgemacht hat.
„Montana, ich komme“, jubele ich innerlich, als Bill auf den State Highway 200 einbiegt.


Ich habe mir die WTR ausgesucht, eine ehemalige „Working Ranch“. Im Prospekt sieht sie heimelig und irgendwie geliebt aus. Bill und Diana haben sie erworben und führen sie nun als familiäre Guest Ranch, vorwiegend besucht von Menschen die, wie ich, zum Reiten kommen. Außer mir ist noch ein deutsches Paar angekommen, das einen Abstecher aus Idaho, dem Nachbarstaat, hierher macht um das Westernreiten kennenzulernen, so wie die meisten Besucher hier.
Und mir gibt es noch einen kleinen Puffer, bevor ich mich alleine auf Tour begebe. „Montana ist kein Einsteigerland für USA Beginner“ ließ der Moderator einer Reise Sendung im TV verlauten.
„Kann ich wohl!“ Wurde es in mir laut. Ich war ganz klar getriggert. „Wirst schon sehen“, kam noch hinterher.
Jetzt gilt es, mich zu beweisen. Englisch flutscht ganz gut. Die Sprachschule zu besuchen, war eine gute Idee, da mein Schulenglisch praktisch unausgepackt in einer Gehirnschublade abgelegt war.
Für heute ist ein Tagesritt angesagt. Greg, der Wrangler, macht die Pferde fertig, und mir wird Desmond zugeteilt. Die Fülle der Eindrücke ist schwer zu beschreiben. Ein Duft nach Tannenholz und Kiefernadeln liegt schwer und intensiv in der Luft. So rein, dass ich ihn am liebsten in ein Schraubglas abfüllen und mitnehmen würde. Die Kratzspuren von Bärenkrallen an den Bäumen. Tiefviolett-schwarzer Bärenkot auf dem Pfad. Eine Elchkuh in der sumpfigen Wiese und die üppige Vegetation lassen mein naturliebendes Herz höher schlagen. Ich bin überwältigt.
An einem kristallklaren See binden wir die Pferd an Bäumen fest und lassen uns das mitgegebene Lunchpaket schmecken. l
Integrated -
Eingebunden
Ich empfinde das Eingebunden sein mit den Gästen und den Betreibern der WTR, Bill und Diana, als bereichernd und sehr erfreulich. Das familiäre Klima gefällt mir.
Für heute Abend steht ein Besuch bei „Trixie“ auf dem Programm. Das „Trixie“ ist eine Roadside Bar, außerhalb von Ovando, einem kleinen, idyllischen Örtchen mit stolzen 71 Einwohnern. Dort wird Pool gespielt, gegessen (die Köchin der Ranch hat frei), getrunken, (mit vorzeigen des Reisepasses natürlich) und Spaß gehabt.
Abwechslung gibt es ausreichend auf der Ranch. Mit das schönste Erlebnis ist das große Lagerfeuer am Abends, wo S’mores zubereitet werden. Geröstete Marshmallows zwischen selbstgebackenen Schokoladen Keksen. Unvergleichlich lecker. Ich bin sowieso überrascht, wie gut und frisch hier gekocht wird. Im 60 Meilen entfernten Missoula wird der Großeinkauf erledigt. In den Fluß-Ebenen wird für die Region angebaut und auf dem Farmer Market findet man alles, was das Herz begehrt. Seifen aus Büffelfett, Blumen, Kristalle und Bisonfelle. Ein buntes Bild der Vielfalt.
Nach einer Woche muss ich mich leider verabschieden. Ich werde diesen schönen Ort vermissen. Die vielen Kleinigkeiten, wie die herrlichen Bücher im alten Schrank, der erste Kaffee morgens im Freien, die Pferde, die netten Wrangler, die gemütliche Cabin und nicht zu vergessen: mein Erlebnis mit den Bärenkindern, das erzähle ich noch zum Abschluss: Ich wollte zur Fox Meadow wandern, um Bilder zu machen, als ich rechts neben mir am Wegesrand etwas Hellbraunes liegen sah. ich wollte es gerade näher inspizieren, als das Bündel in Bewegung kam, sich teilte und zwei Bärenjunge davon stoben und sich auf einen Baum flüchteten. Reaktionsschnell schoss ich noch Fotos und dann gab ich Fersengeld zurück zur Ranch. Ich wollte nicht zwischen eine wütende Bärenmutter und ihre Jungen geraten.
Im Bild unten ist ein Bärenjunges zu sehen. Das Zweite ist im Hintergrund am Baumstamm. Zum scharfstellen habe ich mir nicht die Zeit genommen, wie man sieht.
